Kaufpreis beliebter Produkte
Zurzeit senken Anbieter ihre Preise und bewerben dies offensiv. Doch wie sieht es im Vor-Corona-Vergleich aus? Wir haben die beliebtesten Produkte unter die Lupe genommen. (Tages-Anzeiger, 17.01.2024)
Das Leben ist teuer, und gefühlt wird es immer schlimmer. Gerade wieder verkündete das Bundesamt für Statistik, dass die Inflation erneut angestiegen sei. Einen grossen Anteil daran haben die gestiegenen Kosten fürs Wohnen und die Energie. Doch auch beim Einkaufen gab es in den letzten Jahren starke Schwankungen.
Dabei ist das Bild gar nicht so einseitig, wie man vielleicht denkt. Verschiedene Produkte sind in den letzten Wochen und Monaten auch wieder günstiger geworden – und das, obwohl auf Anfang Jahr die Mehrwertsteuer in der Schweiz erhöht wurde. So profitieren zum Beispiel einige Branchen von weggefallenen Importzöllen auf Industriegüter.
Anstatt wie üblich die Zahlen des Bundesamts für Statistik anzuschauen, wo die Preisänderungen für verschiedene Produktgruppen über die Zeit verglichen werden, hat diese Redaktion sich einige typische zeitlose Produkte herausgepickt. Wir haben geschaut, was mit deren Preisschild im Laden konkret passiert und wohin sich der Trend bewegt. Die einzelnen Läden und Anbieter stehen dafür stellvertretend für Dynamiken, wie sie in der ganzen Wirtschaft zu sehen sind.
Levi’s 501 – Preistrend: sinkend
Der Klassiker schlechthin. In den über 150 Jahren seit ihrer Erfindung hat sich die originale Jeans von Levi’s optisch nur minimal verändert. Auf den Preis trifft das leider nicht ganz zu. Der steigt und sinkt immer wieder mal. So lag die offizielle Verkaufsempfehlung vor der Pandemie bei 119 Franken. 2021 kletterte der Preis zuerst auf 129 Franken und wurde dann nach einem Jahr noch mal um 10 Franken erhöht. Jetzt ist die Urjeans im Fachhandel wieder für 129 Franken zu haben.
So zum Beispiel im Struuss in der Zürcher Altstadt. «Die letzte Preiserhöhung haben wir nicht mehr mitgemacht, wir ahnten schon, dass die nur vorübergehend ist», sagt Reto Zumstein, der langjährige Inhaber des Geschäfts. Die offiziellen Gründe für die Preiserhöhung waren die üblichen Verdächtigen: teureres Rohmaterial und gestiegene Transportkosten. Zumstein vermutet dahinter aber auch Planungsfehler während der Pandemie und den Versuch, höhere Margen zu erzielen. Die Preise der Hersteller basierten eher auf Marktstudien denn auf den tatsächlichen Kosten. Zumstein kennt die Branche gut, er hat selbst einige Jahre bei Levi’s Schweiz gearbeitet.
Für das kommende Jahr erwartet er keine grossen Änderungen beim Preis der 501. Der Wegfall der Zölle komme zwar den Importeuren zugute, doch in Kombination mit den höheren Mehrwertsteuern hätten weder er im Verkauf noch die Endkundinnen etwas davon. Generell erwarten Branchenkenner, dass die Jeanspreise dieses Jahr tendenziell sinken werden.
VW Golf – Preistrend: sinkend
Wäre die Levi’s 501 ein Auto, sie wäre wohl ein VW Golf. So wie die Hose wurde auch der Autoklassiker seit Corona teurer. Die VW-Importeurin Amag hat für diese Redaktion die Preisentwicklung des Golf 8 seit seiner Einführung Anfang 2020 in einer möglichst vergleichbaren Ausstattung nachgezeichnet. Im Vergleich zur Einführung ist der Preis für das Auto um 11,1 Prozent von 31’150 auf 34’600 Franken gestiegen.
Christian Frey, Pressesprecher Volkswagen für die Schweiz, erklärt den höheren Preis mit den «stark veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und schwierigen Verhältnissen in Europa». So hätten Materialengpässe und der Krieg in der Ukraine und Naturkatastrophen immer wieder zu Produktionsunterbrüchen bei VW geführt.
Zum Beispiel musste eine wichtige Bauteilfabrik in der Ukraine den Betrieb längere Zeit einstellen, und eine Werkstätte eines Zulieferers in Slowenien sei von Hochwasser geflutet worden. Dazu kommen die höheren Rohstoff-, Energie- und Transportpreise, die Inflation und die gestiegenen Löhne in Deutschland.
Der Autohersteller habe in den letzten Jahren deshalb in allen Ländern Europas höhere Preise durchgesetzt, so auch bei seinen Schweizer Importeuren, um die steigenden Kosten zumindest teilweise zu kompensieren, sagt Frey.
Seit Mitte 2023 ist der Preis des Golfs nur noch leicht gestiegen, zuletzt wegen der Mehrwertsteuererhöhung. Die gefallenen Importzölle würden laut Volkswagen Schweiz hingegen nicht gross ins Gewicht fallen, da der Golf davor schon weitestgehend von diesen befreit gewesen sei.
Für das kommende Jahr rechnet Frey damit, dass die Preise bei Volkswagen eher sinken werden, besonders bei Elektroautos. Aber auch der Golf dürfte profitieren.
Das neuste iPhone – Preistrend: konstant
Fast die Hälfte der Schweizer Bevölkerung besitzt ein iPhone. Es ist das meistverkaufte Smartphone des Landes, obwohl es preislich häufig über der Konkurrenz liegt. In den vergangenen Jahren wurden die Apple-Geräte stetig teurer. 2019 kostete das iPhone 11 bei seiner Lancierung in der günstigsten Variante noch 809 Franken. Drei Jahre später wollte Apple für das iPhone 14 bereits 929 Franken. Umso grösser war die Überraschung im vergangenen Herbst: Das neuste Modell war bereits ab 849 Franken zu haben.
Ursache für die Preisreduktion waren aber weder gesunkene Kosten für Apple noch ein wohltätiger Gesinnungswandel, sondern der starke Franken. «Apple rechnet in Dollar», erklärt Digital- und Telecomexperte Jean Claude Frick von Comparis. In den USA war der Einführungspreis in den letzten Jahren denn auch relativ konstant.
Weil Apple generell hohe Margen habe, könne es sich leisten, nicht auf die Teuerung zu reagieren, sagt Frick. Umgekehrt lasse der Konzern den Detailhändlern in der Schweiz wenig Margen, sodass diese kaum Gestaltungsspielraum hätten. Mehrwertsteuererhöhungen und Zollerleichterungen hin oder her. Das sei auch der Grund, warum es kaum je Rabatt auf die neuen Apple-Geräte gebe.
Frick geht von gleichbleibenden Preisen beim iPhone in diesem Jahr aus, weil er mit keinem grossen Innovationssprung rechnet. Sobald Apple am Gerät etwas Grösseres verändert, es zum Beispiel faltbar macht, erwartet er aber einen weiteren happigen Preisanstieg. «Die Konsumentinnen und Konsumenten haben immer wieder gezeigt, dass sie bereit sind, hohe Preise für neue Apple-Produkte zu bezahlen, wenn es an diesen signifikante Verbesserungen gibt.» Andererseits würden sie ihre iPhones immer länger behalten und seltener neue Geräte kaufen. Wolle Apple langfristig an seiner Marge festhalten, müsse es ab und zu die Preise erhöhen, sagt Frick.
Ikea-Bett – Preistrend: konstant
Wohnen ist teuer in der Schweiz. Da ist man froh, wenn wenigstens die Einrichtung günstig ist. Doch auch Ikea hatte während der Pandemie ihre Preise teils drastisch erhöht. So kostete das Malm-Bett 2022 auf einmal 309 Franken statt wie in den Jahren davor 239 Franken. Das schwedische Möbelhaus erklärt den Anstieg mit den damals stark gestiegenen Kosten für Rohstoffe und den Transport.
Seit dem vergangenen Herbst ist Ikea nun wieder daran, die Preise zu senken, und bewirbt das auch ordentlich. Seit Oktober gibt es das Bett nun für 289 Franken zu kaufen. Das ist immer noch deutlich über dem Vor-Corona-Preis. Das ist jedoch laut Ikea auch bei den Herstellungskosten der Fall.
Dass das Bett im laufenden Jahr nochmals günstiger werde, sei grundsätzlich möglich. Doch wolle man vor allem bei so vielen Produkten wie möglich die Preise wieder senken, schreibt Ikea.
Kinoticket – Preistrend: konstant
Spürbar teurer wurde in den letzten Jahren auch der Gang ins Kino. Vor der Pandemie kostete der Eintritt ins Zürcher Swisscom-Kino Abaton (damals Kitag, heute Blue Cinema) für Erwachsene noch 19.50 Franken. 2022 wurden die Preise dann zum ersten Mal um 40 Rappen erhöht. Im vergangenen Herbst schlug Swisscom noch mal um 2 Franken auf. Somit kostet der Eintritt heute 21.90 Franken. Bei anderen Kinos und in anderen Städten haben sich die Preise ähnlich entwickelt. Es gibt jedoch regionale Unterschiede.
Die Blue Entertainment AG als grösste Kinobetreiberin der Schweiz erklärt den Anstieg vor allem mit den gestiegenen Kosten. Kinos bräuchten viel Strom, und auch die Lieferanten hätten ihre Preise erhöht. Auch Investitionen in «neue Innovationen wie die First Lounge» seien teurer geworden.
Generell geht es bei den Blue-Kinos in Richtung exklusive Angebote, die bis zu 50 Franken kosten. Damit sollen die tieferen Besucherzahlen kompensiert werden, vermutet ein Branchenkenner.
An den regulären Preisen soll sich dieses Jahr aber nichts mehr ändern, schreibt die Blue Entertainment AG.
Die Butter – Preistrend: konstant
2024 brachte für die Fans von buttriger Rösti und dick bestrichenen Brötchen gute Neuigkeiten: Der Preis für 250 Gramm Butter ist um 5 Rappen gesunken, zumindest bei Coop. Im vergangenen Jahr kostete sie dort noch 3.95 Franken, wie die Detailhändlerin auf Anfrage mitteilt. Das war deutlich mehr als noch 2019. Damals kostete das Mödeli 3.20 Franken.
Der Butterpreis hängt in erster Linie vom Richtpreis für Milch ab. Dieser wird in regelmässigen Abständen von der zuständigen Branchenorganisation festgelegt und gilt als Empfehlung für alle Produzenten in der Schweiz.
Die Höhe des Richtpreises orientiert sich an zahlreichen Faktoren. So stiegen in den letzten Jahren unter anderem die Produktionskosten. Zusätzlich kletterten die Preise auf dem internationalen Milchmarkt 2022 in die Höhe, worauf die Schweiz mitzog. Der Butterpreis bei Coop lag damals bei 3.75.
Auf Anfang Jahr ist der Richtpreis nun wieder gesunken. Er liegt aber immer noch über dem Betrag von 2022.
Für die nächsten Monate erwarten weder die Branchenorganisation Butter noch Coop einen Anstieg des Preises. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,1 Prozentpunkte falle bei den Lebensmitteln kaum ins Gewicht, schreibt Coop.
Coca-Cola – Preistrend: konstant
Der amerikanische Getränkehersteller ist berüchtigt dafür, dass er immer wieder mal versucht, die Preise hochzuschrauben. Dabei scheut er auch vor der Trickkiste nicht zurück. Unvergessen ist wohl der Versuch, 2019 die Halbliterflasche auf 4,5 Deziliter zu reduzieren und dabei den Preis gleich zu lassen. Coop reagierte damals mit Parallelimporten, und fast vier Jahre später krebste Coca-Cola zurück.
Dennoch erhöhten sich unter dem Strich die Preise für die 1,5-Liter-Flasche Coca-Cola von 2019 bis 2023 kontinuierlich von 2.10 auf 2.30 Franken. Coop gibt als Grund für höhere Preise produktspezifisch höhere Rohstoff-, Verpackungs- und Transportpreise bei den Herstellern an. Sie würden jedoch jede höhere Preisforderung «sehr genau» prüfen und diese nur weitergeben, falls es «unvermeidlich» sei. Dieses Mal scheint Coca-Cola offenbar bessere Argumente gehabt zu haben als bei der Flaschenverkleinerung.
Wie es mit dem Cola-Preis im kommenden Jahr konkret weitergeht, kann oder will Coop nicht sagen. Man sei aber mit zahlreichen Zulieferern in Verhandlung und zuversichtlich, bald bei verschiedenen Produkten die Preise senken zu können.
Nivea-Creme – Preistrend: unklar
Bei der aktuellen Kälte dürften wohl gerade viele mit trockener Haut kämpfen. Wer sich Abhilfe mit Nivea-Creme verschaffen will, kann das aktuell sogar günstiger tun als noch vor der Pandemie. 2019 kostete die blaue 150-ml-Büchse der Creme bei Coop noch 2.80 Franken, heute gibt es sie für 2.65.
Dazwischen machte die Creme jedoch eine ziemliche Schwankung durch. Anfang 2021 verkündete Coop, den Preis auf 2.30 Franken zu senken. Mitte 2022 kam dann aber die Umkehr und eine Erhöhung um über ein Drittel auf 3.10 Franken.
Zu den genauen Gründen für die Schwankungen und den weiteren Aussichten bleibt Coop wie auch bei Cola vage.